Rechtsextremismus und Hass entschieden bekämpfen
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Normalerweise halte ich in diesem Haus außen- und sicherheitspolitische Reden. Es war mir aber ein persönliches Bedürfnis, bei dieser gesellschaftlich wichtigen Debatte heute mitzuwirken. Wenn ich vor zehn Jahren eine Rede über Hass und Rechtsextremismus in Deutschland gehalten hätte, hätte ich eine andere Rede gehalten. Ich hätte hier gesagt, dass Deutschland ein weltoffenes und tolerantes Land ist und Hass und Extremismus in unserem Land keinen Platz haben.
Heute sage ich, ja, wir sind ein weltoffenes und tolerantes Land, aber es gibt Entwicklungen in unserem Land, die mich beunruhigen und zutiefst schockieren. Die Tat von Hanau führt uns einmal mehr auf tragische Weise vor Augen, wohin Hass und rechtsextreme Hetze führen können. Für das, was in Hanau passiert ist, gibt es keine Rechtfertigung. Es gibt kein „Ja, aber“. Menschen sind aufgrund rassistischer Motive gezielt getötet worden. Punkt.
Unser tief empfundenes Beileid gilt den Opfern und Angehörigen dieser schrecklichen Tat. Jede Verharmlosung, jede Relativierung dieser Tat ist menschenverachtend und fügt den Angehörigen der Opfer nur noch weiteres unerträgliches Leid zu. Wenn unschuldigen Menschen aufgrund von Hass und Hetze ihr Leben genommen wird, dann können wir als Gesellschaft nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Jeder Mitbürger mit Migrationsbiographie wird Ihnen Geschichten von Alltagsrassismus erzählen können, von unterschwelligen Bemerkungen und direkten Beleidigungen – bis hin zu offener Gewalt. Das ist schmerzhaft.
Gerade wir als Abgeordnete können als Personen der Öffentlichkeit nachvollziehen, was es heißt, auch unangenehme Diskussionen aushalten zu müssen. Aber die wenigsten von uns haben eine Vorstellung davon, was es heißt, Bürger mit Migrationshintergrund zu sein. Denn das, was man inzwischen gelegentlich auch persönlich erfahren muss, ist zutiefst verstörend.
Ein Jahr vor der Abiturprüfung habe ich meine Eltern gefragt, was ich später studieren soll. Die Antwort meiner Eltern lautete: Medizin und Arzt werden. Ich habe gefragt, warum. Die Antwort meiner Eltern: Sollten sich eines Tages die politischen Verhältnisse in Deutschland verschlechtern und du gezwungen bist, das Land zu verlassen, dann wirst du als Arzt überall auf der Welt arbeiten können. Ich habe mich über diesen Satz meiner Eltern immer sehr aufgeregt und habe geantwortet: Deutschland ist und bleibt ein tolerantes Land. Es wird nie der Fall eintreten, dass ich mir Gedanken über eine Auswanderung machen muss.
Meine Damen und Herren, in den Tagen von NSU, Kassel, Halle und Hanau mache ich mir aber oft Gedanken über diesen Satz meiner Eltern. Selbstverständlich denke ich nicht darüber nach, Deutschland zu verlassen. Dafür bin ich zu sehr Rheinländer, dafür liebe ich unser Land zu sehr. Aber ich spüre zum ersten Mal seit Langem, dass Menschen in diesem Land zurecht Angst vor der Zukunft haben. In diesem Land, meine Damen und Herren, darf es keinen Platz für Hass und Rassismus geben. Das sage ich nicht als jemand, der nicht in Deutschland geboren wurde, das sage ich als Bürger dieses Landes.
Wenn Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland angegriffen werden, dann ist das nicht nur ein Angriff auf Muslime, sondern ein Angriff auf uns alle.
Wenn Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland aufgrund ihrer Kippa angegriffen werden, dann ist das nicht nur ein Angriff auf Juden, sondern ein Angriff auf uns Alle.
Genauso ist der Anschlag von Hanau ein Angriff auf unsere gesamte Gesellschaft. Er schürt Angst und sorgt für Unsicherheit.
Es ist unsere Aufgabe als Demokraten dafür zu sorgen, dass rassistischer Hass und Gewalt keinen Platz in der Mitte unserer Gesellschaft haben. Demokraten müssen die Gesellschaft versöhnen und nicht spalten. Das ist in erster Linie die Aufgabe der Politik. Wir müssen aufhören, nur zu reden. Wir müssen als Parlament aus diesen Taten die Lehren für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ziehen. Der Rechtsterrorismus in seinen vielen Facetten fordert unseren Rechtsstaat heraus. Es ist aber auch die Aufgabe der Zivilgesellschaft. Und ich wiederhole mich bewusst: Deutschland ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Lassen sie uns als Demokraten gemeinsam dafür arbeiten dass Rassismus, Hass und Gewalt keinen Platz in unserer Mitte haben.