Plenarrede zum Einsatz der Bundeswehr bei der Marinemission „Eunavfor med Irini"
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Während wir uns in Deutschland, Europa und eigentlich überall auf der Welt mit den Folgen des Coronavirus beschäftigen, tobt der Krieg in Libyen im Schatten der Coronakrise weiter. Gerade vor dem Hintergrund des grausamen Krieges in Syrien war sich die internationale Gemeinschaft einig: Libyen darf kein zweites Syrien werden, und es darf vor der Haustür Europas keinen weiteren Stellvertreterkrieg geben, der zu Tod, Flucht und Vertreibung führen wird.
Doch wie sieht die Realität heute vor Ort aus? Entgegen dem UN-Waffenembargo und den Ergebnissen der Berliner Libyen-Konferenz finden weiterhin Rüstungsgüter und inzwischen auch Kämpfer bzw. Söldner den Weg ins Land. Die militärischen Auseinandersetzungen nehmen wieder zu. Schon längst ist der Konflikt zu einem Stellvertreterkrieg geworden. Die Türkei, Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Katar - alle haben sich auf verschiedenen Seiten positioniert. Und die Europäer, die sonst gerne von einer Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik sprechen, finden hier keine gemeinsame Linie. Schauen Sie sich beispielsweise die Politik Italiens oder die Politik Frankreichs in Libyen an; da bleibt man selbst als überzeugter Europäer oft ratlos zurück.
Die Mission Irini ist trotzdem ein erster und richtiger Schritt in Richtung einer Überwachung des Waffenembargos. Sie darf jedoch nur ein erster Schritt von vielen sein; denn die Mission ist in ihrer jetzigen Fassung eine einseitige Maßnahme. Das wird deutlich, wenn man sich die vielfältigen Schmuggelrouten und Konfliktlinien einmal genauer ansieht. Es besteht also Nachbesserungsbedarf, sofern man verhindern möchte, dass diese Mission zu einer Alibimission verkommt, die lediglich den Schein einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik wahrt.
Trotzdem ist es gut, dass die Europäische Union erkannt hat, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Libyen befindet sich in unserer direkten Nachbarschaft, und alles, was dort passiert, betrifft unsere europäischen Interessen und hat unmittelbar Auswirkungen auf die deutsche Politik, auf die Innenpolitik in Deutschland.
Meine Damen und Herren, es muss noch einiges getan werden, damit sich die Lage in Libyen verbessert. Politische Erfolge können nur erzielt werden, wenn die Europäer die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz nicht nur als Theorie verstehen, sondern sie auch tatsächlich umsetzen. Die Konferenz war ein Erfolg. Sie wird aber nichts bringen, wenn die Umsetzung vor Ort ausbleibt. Diese Bundesregierung war bei der Organisation der Konferenz federführend, aber sie ist bei der Umsetzung zurückhaltend. Hier muss mehr Engagement erfolgen.
Die Rahmenbedingungen für Diplomatie waren vor der Coronakrise schon schwierig, besonders in Libyen, und sie werden nach der Coronakrise nicht einfacher werden. Ein letzter Satz, Herr Präsident: Deutschland und Europa dürfen sich trotzdem in der Libyen-Frage nicht aus der Verantwortung ziehen; denn ein weiterer Krieg vor der Haustür Europas ist inakzeptabel und muss dringend beendet werden.
Vielen Dank.