Bijan Djir-Sarai

Außen, Europa und Menschenrechte

Foto: Johannes James Zabel

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die außenpolitische Debatte des heutigen Tages kommt zu einem richtigen Zeitpunkt. Ich bin sehr froh, dass diese Debatte heute stattfindet. Noch hat uns die Coronapandemie sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa im Griff. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass wir zurzeit in erster Linie mit unseren eigenen Problemen und Herausforderungen beschäftigt sind.

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt, in der wir leben, sich dramatisch verändert, und wir sollten uns in Deutschland und Europa mit diesen Veränderungen intensiv beschäftigen. Das, was beispielsweise China heute macht – in Asien, im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika –, hat unmittelbar Einfluss auf unsere Interessen in der Welt. Die politischen Entwicklungen, ob in Afghanistan, Syrien oder Libyen, beeinflussen auch die Innenpolitik in unserem Land. Flucht, Vertreibung und Fluchtursachenbekämpfung sind dabei zentrale Themen.

Unsere Antwort auf die großen Veränderungen dieser Welt kann aus meiner Sicht nur lauten: mehr Europa. Denn Europa ist unsere Zukunft und unsere einzige Möglichkeit, auf die Herausforderungen der Zeit Einfluss zu nehmen, meine Damen und Herren.

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Daher sollten wir alles dafür tun, damit wir endlich eine gemeinsame und handlungsfähige europäische Außen- und Sicherheitspolitik schaffen können – nicht nur in der Theorie für große Reden, sondern auch in der Praxis.

Ich will es an dieser Stelle auch deutlich sagen: Ich finde es nicht gut, wenn über die Sicherheitsarchitektur in Europa gesprochen wird und Europa nicht am Tisch sitzt. Man darf sich aber auch nicht wundern; denn schließlich hat sich Europa in den letzten Jahren auch in der Außenpolitik unter Wert verkauft und kleingemacht, und wer sich kleinmacht, wird auch dementsprechend behandelt.

Wir müssen in den nächsten Jahren noch stärker als zuvor unsere Interessen in der Welt artikulieren und gleichzeitig deutlich machen, dass wir für unsere Werte stehen – für Werte wie Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Bürgerrechte.

Es heißt, deutsche Außenpolitik soll werteorientiert und interessengeleitet sein. Noch nie war diese Formulierung so wichtig und so richtig; denn es ist kein Oder, es ist ein Und.

Und ich sehe keinen Widerspruch zwischen einer werteorientierten und einer interessengeleiteten Außenpolitik.

Allerdings dürfen wir einen Fehler nicht machen: Wir dürfen eine werteorientierte Außenpolitik nicht mit einer moralisierenden Außenpolitik verwechseln. Diesen Fehler dürfen wir nicht machen.

Wir können nicht zu eklatanten Menschenrechtsverletzungen in China schweigen. Wir können nicht schweigen, wenn Oppositionelle in Russland unterdrückt werden. Wir können nicht schweigen, wenn radikalislamistische Taliban in Afghanistan mit Steinzeitmethoden die Menschen tyrannisieren. Wir können nicht schweigen, wenn Frauen im Iran systematisch vom Regime diskriminiert und unterdrückt werden. Wir müssen uns für diese Menschen einsetzen. Das sind wir denen schuldig, deren Freiheit tagtäglich von Diktatoren und Autokraten infrage gestellt wird.

Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hatte außerordentlich schwierige Rahmenbedingungen bei ihrem Start. Nicht nur die Coronapandemie, sondern auch die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze und ebenso das Verhalten Russlands an der ukrainischen Grenze waren vom ersten Tag an eine große Herausforderung.

Frau Ministerin Baerbock, ich wünsche Ihnen alles Gute. Ihr Erfolg ist wichtig für uns, ist wichtig für unser Land. Sie sind erst seit Kurzem im Amt. Aber die Art und Weise, wie Sie dieses Amt mit Leben gefüllt haben, ist aus meiner Sicht jetzt schon überzeugend.

Vielen Dank.